B21F6BB4-1C5E-4341-9402-72115F03EA26 17. Januar 2020

Die Transformation zur Smart City beginnt im Kopf – mit einer Vision

Ein Kommentar von Christine Riedmann-Streitz, Querdenkerin und Geschäftsführerin der MarkenFactory.

Die Bedeutung einer attraktiven sinnstiftenden Vision als Antrieb, Motivation und Handlungsmaxime erzählt Antoine de Saint-Exupéry in seinem Aphorismus über den erfolgreichen Bau eines Schiffes: essentiell ist es, eine starke Vorstellung und „Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer“ zu entfachen. Die Olympiasiegerin im Eiskunstlauf 2018, Aljona Savchenko, bekannte, sie habe sich ihre beste Kür aller Zeiten in ihrem Kopf immer erneut vorgestellt, bevor sie diese laufen konnte und die Goldmedaille holte.

Die Vision führt hochgradig vernetzte Systeme in die Zukunft
Eine Vision ist kein netter Zusatz auf dem Weg zur „Stadt der Zukunft“, vielmehr ein notwendiges Instrument erfolgreicher Transformation. Komplexe Vorhaben und hochgradig vernetzte Systeme wie eine Stadt lassen sich nicht allein über Einzelziele, Digitalisierungsstrategien und Aktionspläne führen. Die professionelle Erarbeitung eines fundierten attraktiven Zukunftsbildes ist vorrangige Aufgabe. Es braucht diese starke Vision: Sie hält alle Handlungsstränge zusammen, gibt ihnen die notwendige Ausrichtung und bietet die Möglichkeit zur Identifikation mit dem Vorhaben. Sie ist wichtig zur Mobilisierung der Potentiale und des Engagements von Bürgern und Wirtschaft, die nötig sind, um die Transformation zu gestalten und umzusetzen. Viele Städte leiden unter dem Fehlen dieser zugkräftigen Vision; oft beschreiben die Formulierungen Absichten und keine Vision.

„Citizen Centered Design“ – Der Denkansatz bestimmt das Ergebnis
Vorsicht ist geboten bei der Erarbeitung der Vision. Sie ergibt sich nicht aus dem Weiterdenken der Gegenwart mit Fragen wie „In welcher Zukunft werden wir leben?“. Ein professionell erarbeiteter Zukunftsentwurfs beantwortet erfolgskritische Fragen: „Wie sieht sie aus, unsere Stadt der Zukunft, die wir uns wünschen?“, „Wie lebt und arbeitet es sich in ihr?“, „Was ist der konkrete Nutzen und Mehrwert für unsere Bürger und die ansässige Wirtschaft?“. Hier wird die Zukunft aktiv und sinnstiftend gestaltet; Leitbild ist die Vision der Werte; Wünsche und Anforderungen einer lebenswerten Urban Community (Citizien Centered Design). Aus der Zukunft auf die Gegenwart blickend werden Ziele und Strategien abgeleitet. Diese Strategien zeichnen den Weg zum Ziel, geben den Rahmen vor für Entscheidungen z.B. welche digitalen Technologien sich eignen und wie diese sinnstiftend eingesetzt werden oder welches Mobilitäts- und Energiekonzept ausgearbeitet und umgesetzt werden soll. Anhand einer klar formulierten Digitalisierungsstrategie beispielsweise lassen sich Digitalisierungsprojekte priorisieren und Entscheidungen objektivieren. Als Ergebnis wird das umgesetzt, was der Zielerreichung am besten dient; beginnend mit den Projekten, die den größten Einfluss auf die Zielerreichung und höchste Dringlichkeit haben.
Wird umgekehrt von den Potentialen digitaler Technologien aus gedacht, entstehen Projektentwürfe wie der von Sidewalk Labs (Alphabet Konzern) für einen Stadtbezirk in Toronto, der mittlerweile umstritten ist. Aus dem Primat digitaler Technologien droht die Gefahr der „Googlifizierung“ des urbanen Raumes, der „Stadt als physisches Facebook“. Es wäre die Verkehrung des Wesens einer Stadt, wenn Bürger überwacht, von Technologien dominiert, „abgehängt“ oder Technologien nur zum Nutzen Einzelner eingesetzt werden.  

Die Vision muss stadtspezifisch sein
Eine Stadt ist ein verdichteter Kultur- und Wirtschaftsraum. Kultur basiert auf Werten, die geteilt und gepflegt werden und Orientierung geben, was zu tun und zu unterlassen ist. Eine ausgeprägte Stadtkultur, die in der analogen und digitalen Welt stattfindet, stiftet Gemeinschaft, Identität und ermöglicht Identifikation. Die Vision baut als attraktiver Zukunftsentwurf auf den Stärken und der DNA der Stadt auf – als Grundlage für eine prosperierende lebenswerte Zukunft im Digitalzeitalter zum Nutzen aller: der Stadt, den Bürgern, der Wirtschaft.

Christine Riedmann-Streitz

Christine Riedmann-Streitz ist Geschäftsführerin der MarkenFactory GmbH, spezialisiert auf Brand & Identity, Innovation & Change, Leadership & New Work. Sie befähigt Verantwortliche und deren Teams in Organisationen aus Industrie, Handel, Dienstleistung, Institutionen und öffentlicher Verwaltung, Denk- und Verhaltensmuster zu verändern, Potentiale zu erkennen, Transformationen erfolgreich zu gestalten (Strategie und Umsetzung) sowie Zukunftsbilder wie für „Neue Arbeitswelten“ oder „Future Hybrid Cities“ zu entwickeln.